Der Preisverfall am Immobilienmarkt und die starken Abflüsse aus Immobilienfonds haben Folgen: Die Ratingagentur Scope hat die Ratings für 21 offene Immobilienfonds aktualisiert und dabei elf Fonds herabgestuft. Nur einer verbesserte sein Rating, bei neun Fonds blieb die Note stabil. Ein weiterer Fonds sei schon im Februar herabgestuft worden. „Ursache für die Downgradings waren sowohl gesunkene Renditen als auch gestiegenen Risikoparameter“, teilte Scope mit.
Scope-Analystin Sonja Knorr nannte im Gespräch mit der F.A.Z. als Ursache verschiedene Faktoren, die im Moment zusammenkämen. Neben den gestiegenen Zinsen sorge auch der Trend zum Homeoffice dafür, dass Büroimmobilien in B-Lagen an Wert verlören. Einzelhandelsimmobilien litten unter dem zunehmenden Online-Shopping. Logistikimmobilien entwickelten sich gut, spielten in den Fonds aber nur eine untergeordnete Rolle. Wohnimmobilien hätten auch an Wert verloren. Auch die Anforderungen an die energetische Sanierung drückten zum Teil die Immobilienpreise.
Warum die Rendite der Immobilienfonds sinkt
Die Folge: Von den drei Komponenten, die für die Rendite der Immobilienfonds verantwortlich seien, steige zwar die sogenannte „Mietrendite“ durch teilweise höhere Mieten und die „Liquiditätsrendite“ durch höhere Zinsen auf nicht investierte Mittel. Die Bewertungsrendite aber, die durch die Bewertung der Immobilien durch unabhängige Gutachter bestimmt wird, sinke bei den meisten Fonds. Dieser negative Effekt auf die Gesamtrendite sei stärker als die beiden positiven zusammengenommen.
Im Durchschnitt könnte die Rendite der offenen Immobilienpublikumsfonds in diesem Jahr sogar leicht negativ werden, meinte Knorr. Bei manchen Fonds werde die Rendite deutlich negativ werden, bei anderen nur im positiven Bereich sinken. „Im Schnitt könnte der Nullpunkt leicht unterschritten werden“, sagte Knorr. Das heißt: Anleger verlören mit den Immobilienfonds dann im Durchschnitt zumindest rechnerisch Geld.
Abflüsse erwartet
Konkret wurden folgende Fonds herabgestuft: Deka Immobilien Metropolen, Deka Immobilien Nordamerika, Fokus Wohnen Deutschland, DWS Grundbesitz Europa, DWS Grundbesitz Fokus Deutschland, DWS Grundbesitz global, Habona Nahversorgungsfonds Deutschland, KanAm Leading Cities Invest, Swiss Life REF European Realestate Living and Working, UBS Euroinvest Immobilien und Wertgrund Wohn Select D. Schon im Februar herabgestuft wurde der Realisinvest Europa. Jetzt hochgestuft wurde der Uni Immo Global von Union Investment Real Estate, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken.
Die Zuflüsse in offene Immobilienfonds seien schon 2023 deutlich gesunken, berichtet Scope. Für 2024 erwarte man Nettomittelabflüsse fürs Gesamtjahr. Im ersten Quartal hätten die Abflüsse 0,9 Milliarden Euro betragen. „Den Höhepunkt dieser Abflüsse für das laufende Jahr erwarten wir im dritten Quartal“, schreibt Scope. In einer Umfrage unter 30 Fondsmanagern nannte eine große Mehrheit den Abzug von Anlegergeldern aktuell als das größte Risiko für die offenen Immobilienfonds.
Zum Teil können die Fonds die Mittelabflüsse noch aus ihren hohen Cash-Beständen decken. Es gebe aber auch schon Fonds, die unter Druck stünden, Immobilien trotz der aktuell schlechten Marktlage zu verkaufen, um ihre Anleger zu bedienen, sagte Knorr. Das betreffe kleine Fonds tendenziell stärker als die großen. Schieflagen sieht Scope aktuell noch nicht: „Auch wenn einzelne Rücknahmeaussetzungen künftig nicht ausgeschlossen werden können, sollte die überwiegende Zahl der Fonds in diesem Jahr die Mittelabflüsse aus ihren Cash-Beständen leisten können.“
Das Schreckensszenario für die Branche sind die Massenabflüsse aus den Immobilienfonds im Zuge der Finanzkrise. So schlimm scheint es diesmal nicht zu sein, das Ausmaß der Verunsicherung ist geringer als damals. Und es gibt seit damals auch neue gesetzliche Bestimmungen, die in Phasen mit schlechter Stimmung die Abflüsse regulatorisch begrenzen. Zumindest für Anteile, die nach dem 21. Juli 2013 gekauft wurden, gilt mittlerweile eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. So lange muss der Verkäufer also auf sein Geld warten. Zudem gibt es eine Mindesthaltefrist von zwei Jahren. Wer einen Fonds gekauft hat, soll ihn nicht sofort zurückgeben können.
„Die einjährige Kündigungsfrist, die 2013 für alle von da an stattfindenden Anteilskäufe eingeführt wurde, gilt mittlerweile für den überwiegend Teil der Anleger“, berichtet Scope. Die neuen Regelungen hätten die Abflüsse für die Fondsgesellschaften besser planbar gemacht. Knorr sagte, im Moment seien bei den Anlegern, die schon lange dabei seien und die keine Kündigungsfrist hätten, weniger Rückgaben zu beobachten als bei den neueren Investoren. Einen Schwerpunkt der Rückgaben beobachte man bei Menschen, die um das Jahr 2021 herum bei hohen Preisen und niedrigen Zinsen eingestiegen seien.
Vermietungsquoten dürften nur leicht zurückgehen
Die gesunkenen Renditen reduzierten die Attraktivität der Immobilienfonds im Vergleich zu Alternativanlagen wie Termingeldern, berichtet Scope. „Zwar werden auch für festverzinsliche Anlagen sinkende Renditen im Jahresverlauf erwartet, der Renditevorsprung gegenüber Immobilienfonds dürfte aber zumindest bis Jahresende fortbestehen.“
Die Vermietungsquoten lägen weiterhin auf einem soliden Niveau, schreibt die Ratingagentur. Mit durchschnittlich 93,7 Prozent befänden sie sich nur leicht unter dem Wert des Vorjahres. „Viele Mietverträge wurden langfristig geschlossen oder konnten während der Coronakrise sogar gegen vorübergehende Zugeständnisse verlängert werden“, berichtet Knorr. In diesem Jahr dürfte die durchschnittliche Vermietungsquote leicht zurückgehen. Für Büroimmobilien in den Vereinigten Staaten seien die Herausforderungen jedoch stark gestiegen und hier sei mit steigenden Leerständen zu rechnen. Gleiches gelte allgemein für Immobilien in B-Lagen und Gebäude, die unter Nachhaltigkeitsaspekten „schlecht positioniert“ seien.
Natürlich böten die gesunkenen Immobilienpreise auch die Chance, dass Fonds Immobilien günstig erwerben und später von einem steigenden Wert profitieren, sagte Knorr. Viele Fonds seien aktuell allerdings wegen der Mittelabflüsse vorsichtig und versuchten eher, ihr Pulver trocken zu halten.
Positiv seien für die offenen Immobilienfonds die erweiterten Möglichkeiten, in erneuerbare Energie zu investieren, meint Scope. Die Einführung einer entsprechenden Regelung werde für das dritte Quartal erwartet. Künftig sollten Fonds bis zu 15 Prozent ihres Verkehrswertes in Erneuerbare-Energie-Anlagen wie Solarparks investieren dürfen: „Das erhöht die Risikostreuung und das künftige Renditepotential und bietet Möglichkeiten, Immobilien direkt mit Energie aus erneuerbaren Quellen zu versorgen.“