Es gibt sie, die Verlässlichkeit am Aktienmarkt. Keine Garantien, aber erhöhte Wahrscheinlichkeiten. So verwiesen wir vor zwölf Monaten an dieser Stelle auf den Aspekt: Ein Verlustjahr kommt meistens allein. 2022 waren die Kurse im Dax gefallen und trotz Dividenden verblieb eine Minus-Rendite von 12 Prozent. Doch nur zweimal in den 1960er Jahren folgte einem Verlustjahr mit deutschen Aktien ein zweites. Und nur einmal im Dotcom-Crash folgten sogar drei Verlustjahre in Folge.
Sonst waren die Jahre nach einem Kursrückgang oft sogar besonders intestine: Auf den Crash 1987 folgten 1988 und 1989 jeweils mehr als 30 Prozent Plus. Das Jahr 2003 brachte nach dem Dotcom-Crash 37 Prozent Plus. Die Finanzkrisen-Schwäche wurde 2009 mit 24 Prozent Plus hinter sich gelassen, der Euro- und Staatsschuldenkrise folgten 29 Prozent Kursplus, der 2018er Rückgang wurde 2019 mit 25 Prozent Plus mehr als ausgeglichen so wie nun auch dem Inflations- und Zinsschreck des Jahres 2022 ein dickes Dax-Plus von 20 Prozent folgt und die Verluste mehr als ausgleicht.
Alle Jahresveränderungen lassen sich am oberen Balken des sogenannten Renditedreiecks ablesen (siehe Grafik). Die roten Rechtecke sind die Nervenproben für die Anleger. Sie stehen für Kursverluste. Zweimal galt es die in den vergangenen zwölf Jahren zu verkraften. Viermal in den vergangenen 20 Jahren. Zehnmal seit der Dax-Gründung vor 35,5 Jahren. Die Pluszeichen überwiegen, was sich ganz banal am Index selbst ablesen lässt, der seit 1988 von 1000 Punkten auf einen Rekord von knapp mehr als 17.000 Punkten in diesem Jahr gestiegen ist – eine ansehnliche Rendite von 8 Prozent im historischen Jahresschnitt.
Zwei Bedingungen sind für den Erfolg am Aktienmarkt entscheidend: Geduld und Streuung. Die Geduld lässt sich am Dreieck ablesen. Je weiter man von der langen Kante mit den Jahresausschlägen ins Innere vordringt, desto tiefer und verlässlicher werden die Blau-Töne der Kursgewinne. Eine Altersvorsorge, die auf Zeithorizonte von wenigstens 30 Jahren angelegt sein sollte, ist damit in Aktien sinnvoll möglich und brachte verlässlich gute Renditen von meist 7 bis 11 Prozent im Jahresschnitt.
Der Effekt der Streuung ließe sich erkennen, wenn man neben das Dreieck für die aktuell 40 Dax-Aktien Betrachtungen stellen würde, die nur einzelne Werte zeigen. Sie lassen sich auf der Seite des Deutschen Aktieninstituts ebenso finden. Hier sind die roten Flächen je nach Einzelwert deutlich ausgeprägter. Es reicht auch ein Blick auf die Kursveränderungen in diesem Jahr. Hinter dem satten Plus von 20 Prozent des Dax und dem neuen Rekord stehen Kursgewinne des Index-Schwergewichts SAP von 45 Prozent oder des Waffenherstellers Rheinmetall und des Zementherstellers Heidelberg Supplies von mehr als 50 Prozent.
18 Werte brachten mehr als 20 Prozent Kursplus. Wer aber das höhere Risiko einer Einzelaktie einging, konnte mit Bayer, Siemens Vitality oder Zalando selbst in einem so guten Aktienjahr wie 2023 mehr als 30 Prozent Kursverlust erleiden. Auf Indexebene wird das ausgeglichen, der Streuung wegen. Da fiel auch ein Wirecard-Ausfall einst kaum ins Gewicht.
Früher struggle mehr Kaufhof
Die dritte Bedingung für den Erfolg am Aktienmarkt ist die Bereitschaft zur Wandelbarkeit. Die alte Formel „Purchase and Maintain“ galt noch nie für immer und alle Zeiten. Natürlich lassen sich verlässliche Geschäftsmodelle wie Warren Buffett es an Coca-Cola beispielsweise schätzt, über Jahrzehnte fortschreiben. Sie bedürfen aber der regelmäßigen kritischen Bestandsaufnahme, was Marktmacht, Markenstärke und Unternehmensführung angeht.